23.09.2025

Linnemann zu Aufstocker

Carsten Linnemann

Carsten Linnemann (CDU) greift mit seiner Aussage ein wichtiges, aber auch komplexes Thema auf – den Missbrauch von Sozialleistungen. Doch seine pauschale Formulierung verkennt die Realität vieler Menschen in Deutschland. Nicht jeder, der weniger Stunden arbeitet und Leistungen aufstockt, tut dies aus Bequemlichkeit oder fehlendem Arbeitswillen. Vielmehr spiegeln diese Situationen häufig strukturelle Probleme wider: niedrige Löhne, befristete Beschäftigungsverhältnisse, mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder gesundheitliche Einschränkungen.

Wenn jemand in Vollzeit arbeitet und dennoch aufstocken muss, liegt das Problem regelmäßig nicht beim Individuum, sondern beim Arbeitsmarkt und den Rahmenbedingungen, die solche Löhne zulassen. Auch wer nur Teilzeit arbeitet, tut dies oft nicht freiwillig, sondern weil Care-Arbeit, fehlende flexible Arbeitsmodelle oder schlicht fehlende Angebote am Arbeitsmarkt dies erzwingen.

Eine Politik, die Betroffene moralisch unter Druck setzt, lenkt davon ab, die eigentlichen Ursachen anzugehen: faire Löhne, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein Sozialsystem, das vor Armut schützt. Anstatt Menschen, die Leistungen beziehen, unter Generalverdacht zu stellen, sollte die Politik die Verantwortung dort suchen, wo sie hingehört – bei Unternehmen, die Niedriglöhne zahlen, und bei Strukturen, die Chancenungleichheit verfestigen.

1000 Zeichen übrig